Interview mit frida (Finalist 2019)
FRIDA bietet kostenlose juristische Hilfe für Asylsuchende und Menschen in Not an und bietet zwei wöchentliche Beratungsstunden an, bei welchen immer Dolmetscher anwesend sind und helfen so beispielsweise bei der […]
FRIDA bietet kostenlose juristische Hilfe für Asylsuchende und Menschen in Not an und bietet zwei wöchentliche Beratungsstunden an, bei welchen immer Dolmetscher anwesend sind und helfen so beispielsweise bei der Ausstellung von Aufenthaltstiteln.
Wie kam euch die Idee und was macht ihr genau?
Wir sind bereits seit Jahren im asyl- und fremdenrechtlichen Bereich beratend tätig und konnten daher schon länger beobachten, dass es ständig Bedarf an fachlich kompetenter, unabhängiger rechtlicher Hilfe gibt. Zwar existieren Organisationen, die diese Aufgabe im staatlichen Auftrag wahrnehmen, jedoch sind hierbei einerseits große Qualitätsunterschiede zu beobachten und besteht andererseits hohe Nachfrage nach staatlich unabhängiger Unterstützung. Nicht zu vergessen ist zudem, dass der Andrang sehr hoch, die Verfahren kompliziert und die Anlaufstellen zu wenige sind. Als die (erfreulicherweise: Ex-)Regierung schlussendlich die Schaffung der BBU („Bundesbetreuungsagentur“) ab 2021 beschloss, welche u.a. auch eine staatliche Einrichtung zur rechtlichen Beratung Geflüchteter vorsieht, stand für uns fest, dass es eine neue, unabhängige NGO braucht, die hier eine qualitative Alternative bieten kann.
Ein zweites Bedürfnis, das wir verorten konnten, ist die Schaffung einer einheitlichen Anlaufstelle für Geflüchtete, aber auch Migrant*innen und deren Familienangehörige. Eine solche existiert in Wien nicht, bringt für Betroffene jedoch große Vorteile: So können sich Personen jeden Aufenthaltsstatus in rechtlichen Fragen an uns wenden und erhalten direkt Auskunft und Unterstützung, ohne an verschiedene Stellen weiterverwiesen zu werden.
Unsere Tätigkeit besteht in offenen Beratungsabenden, die derzeit zweimal monatlich stattfinden. Abende deshalb, da die meisten Beratungsstellen untertags geöffnet haben, und wir hier eine Erleichterung für berufstätige Klient*innen schaffen möchten. Zu diesen sind jeweils mindestens 4 Berater*innen anwesend, die über ausreichend Erfahrung verfügen und somit kompetente Beratung leisten können. Unterstützt werden diese von einem Dolmetsch-Team, mit dessen Hilfe wir (je nach Bedarf) Beratung in den Sprachen Dari/Farsi, Arabisch, Russisch, Paschtu, Armenisch und Französisch anbieten können. Personen können an diesen Abenden ohne Voranmeldung kommen und erhalten eine Erstabklärung. Besteht Folgearbeit oder Bedarf an einem ausführlicheren Gespräch, wird ein zusätzlicher Einzeltermin vereinbart.
Wer sind eure role models?
Als Role Model können wir etwa Ute Bock nennen, die einen Großteil ihres Lebens, das leider vergangenes Jahr ein Ende nahm, voll und ganz der bedingungslosen Unterstützung geflüchteter Menschen in allen Lebenslagen widmete. In juristischer Hinsicht haben wir selbstverständlich ebenfalls einige Vorbilder – nennenswert ist etwa das Kollektiv der Menschenrechtsanwälte, welches vor ein paar Monaten die EU und ihre Mitgliedstaaten beim Internationalen Strafgerichtshof infolge des Massensterbens im Mittelmeer wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit anklagte. Wir sehen darin ein starkes Zeichen des Protests, dessen Setzung in Zeiten wie diesen einiges an Mut erfordert.
Was bereitet euch im Moment schlaflose Nächte?
Schlaflose Nächte bereitet uns derzeit einerseits die finanzielle Absicherung unseres Vereins und andererseits die Schaffung einer nachhaltigen Arbeitsstruktur. Wir sind als Verein noch sehr jung und relativ klein, tragen aber durch unseren Kick-Off, der sich schneller verbreitete als erwartet, bereits einiges an Verantwortung für unsere Klient*innen. Es besteht daher natürlich Druck, nebenher neue Teammitglieder zu gewinnen, um eine möglichst nachhaltige Beratungsstruktur gewährleisten zu können. Aktuell träumen wir noch von einem Büro, das nur uns gehört, und dem Luxus, unsere Mitarbeiter*innen eines Tages einen wohlverdienten Lohn bieten zu können. In dieser Hinsicht arbeiten wir fleißig mit unserem Mentor zusammen und nutzen das wertvolle Angebot, das uns der SIA zur Verfügung stellt.
Wie schafft ihr euch als Team einen Ausgleich?
Wir kennen einander bereits eine Weile und sind auch über unser Projekt hinaus befreundet. Als Ausgleich zur professionellen Tätigkeit treffen wir uns auch gelegentlich privat, wobei wir versuchen, nicht über frida zu sprechen (was uns natürlich nicht immer gelingt ;)).
Die Arbeit, die wir leisten, bringt viel Verantwortung mit sich und kann teilweise hoch belastend sein. Um diese also langfristig qualitativ erbringen zu können, nebenbei organisatorische und finanzielle Aufgaben wahrzunehmen und eine ausgewogene Work-Life-Balance zu halten, ist ein Ausgleich besonders wichtig. Wir haben daher als Teammitglieder immer ein Auge aufeinander, achten auf eine ausgewogene Arbeitsteilung und greifen einander unter die Arme, wenn es jemandem einmal zu viel wird.
Welchen Impact hat euer Projekt auf dessen Umfeld?
Fridas Impact zeigt sich in erster Linie bei unseren Klient*innen: die Nachfrage an kostenloser, kompetenter und staatlich unabhängiger Rechtsberatung ist groß, das bisher bestehende Angebot nicht ausreichend. Alle Personen, die bei frida tätig sind, tun dies aus Überzeugung und mit Leidenschaft, was garantiert, dass jede hilfesuchende Person mit ihrem Anliegen ernst genommen und respektvoll behandelt wird und die bestmögliche Unterstützung erhält. Das ist leider bei weitem nicht so selbstverständlich, wie es eigentlich sein sollte. Hinzu kommt das Angebot, asyl- und fremdenrechtliche Beratung in Einem zu erhalten. Betroffene benötigen häufig Unterstützung in beiden Bereichen und es ist daher für sie vorteilhaft, diese an einer Adresse zu erhalten.
Im weiteren Sinn wirkt frida auch entlastend für bestehende Beratungsstellen. Die meisten Stellen sind hoffnungslos überlaufen, müssen immer wieder Personen mit ihren Anliegen abweisen oder grundsätzliche Aufnahmepausen einlegen. Wir erhielten daher äußerst positives Feedback auch von Seiten anderer Anlaufstellen und sind froh über die Zusammenarbeit, die sich so rasch entwickelte.
Verliert ihr während eurer Arbeit manchmal den Glauben an das Österreichische Sozialsystem?
Das österreichische Sozialsystem bedenkt einen nur, solange man sich innerhalb des „Systems“ bewegt und auch dann sieht es – etwa im Bereich der Mindestsicherung – Benachteiligungen vor, die das alltägliche Leben, jedoch auch die gesellschaftliche und arbeitsmarktliche Integration massiv beeinträchtigen. Die zuletzt beschlossenen Änderungen die Mindestsicherung betreffend sind unserer Ansicht nach zudem rechtswidrig.
Kaum jemand spricht von jenen Menschen, die „illegalisiert“ in Österreich leben und die in Folge vom „System“ ausgespuckt wurden. Für sie interessiert sich die Politik nicht und damit auch nicht das österreichische Sozialsystem. Ohne jegliche Sozialhilfe, ausreichende Schlafplätze oder Anknüpfungsmöglichkeiten ist es diesen Menschen nicht möglich, in ihr altes Leben und damit auf den Radar des österreichischen Sozialsystems zurückzufinden. Insbesondere durch die Entscheidungspraxis des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, aber auch letztlich durch jene des Bundesverwaltungsgerichts produziert dieses „System“ seit Monaten und Jahren solcherart „illegalisierte“ Menschen. Mag es ihnen mithilfe den von einem Rechtsstaat wie Österreich vorgesehenen Mitteln in der Theorie gelingen können, sich zur Wehr zu setzen, werden sie in der Zwischenzeit vom österreichischen Sozialsystem im Stich gelassen, was oft dazu führt, dass ein Leben in Österreich bis zur Entscheidung der Höchstgerichte für die Betroffenen schlicht unfinanzierbar wird.
Fühlt ihr euch manchmal überfordert? (Also könnt ihr überhaupt allen Anfragen nachkommen?)
Diese Frage lässt sich klar bejahen. Wir mussten uns bereits zu Beginn darauf verständigen, gewisse Anfragen bzw. konkrete Anliegen nicht anzunehmen, um einer vorzeitigen Überforderung des Teams vorzubeugen. Dringendstes Beispiel ist die Vertretung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Hier besteht eine nicht zu unterschätzende Nachfrage nach staatlich unabhängiger Rechtsvertretung, zu deren Gewährleistung wir gerne beitragen würden.
Ansonsten geben wir uns große Mühe, alle Anfragen zu bearbeiten und für eine ausgewogene Arbeitslast innerhalb des Teams zu sorgen und durch ständigen Austausch Überlastung bestmöglich vorzubeugen.